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146 Global Kintsugi

München, Oktober 2020. Vielleicht habe ich versehentlich von einem Zaubertrank erwischt; ich komme mir vor wie ein Riese, ein Gigant, der wächst und immer weiter wächst, während die Umgebung zusammenschrumpft, mental- klaustrophobische Enge übriglassend. Scheinbar der literarischen Vorlage folgend, wähne ich mich gefangen und gefesselt, bewegungsunfähig, von Hunderschaften von Speerspitzen gepiesackt und gezwickt. Die Restriktionen…
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145, Teil II: Wo man Andorra findet

Andorra, August 2020. Am Flughafen erfahren wir: der Maulkorb ist plötzlich auch im Freien Pflicht, nicht nur in den Geschäften. Die Bergwelt durchwandernd dürfen wir ihn abnehmen; an den Tagen mit Kulturprogramm heißt es: sechs, sieben, acht Stunden lang Keime anzüchten, schön ins warm-feuchte Millieu atmen, den Erregern ein optimales Gedeihklima bietend. Eine Mitreisende reagierte…
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144 Eine Doku im Fernsehen

München, September 2020. Die reine Lust am Erzählen spricht aus Agatha Christies über 600 Seiten starker Autobiographie, die trotz des Umfangs mehr als lückenhaft bleibt – der Leser ist ihr herzlich egal, sie schreibt: wovon sie möchte, so lang oder kurz sie es will, mal chronologisch, dann völlig durcheinander, ganz ohne Zaudern, ohne jede Selbstzensur;…
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143 Auf dem falschen Stern

München, September 2020. Ich ekle mich. Bis zum Erbrechen ekle ich mich vor dieser Gesellschaft, vor dieser Zeit. Der Ekel ist so tiefgründig und umfassend, man darf ihn als Lebensekel bezeichnen. Ungebeten ploppen journalistische Artikel auf: “Pflegen statt Popeln: Finger weg vom Nasenloch.” (zeit.de), “Luzius, 15, dement” (es geht um einen Hund, sz.-magazin). In der…
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142, Teil I: Pause am Fluß

München, August 2020. In meiner wunderschönen Küche – Erle massiv, jade-türkisene Metrofliesen, ein Arbeitsplattenkunstwerk aus Marinace Verde – schmurgelt und blubbert es verheißungsvoll in drei riesengroßen Töpfen: gelbe Zucchini aus dem Garten, Möhren, Kartoffeln, Olivenöl, Salz. Und 2,7 Kilo Hähnchenbrust. Genau zwanzig Jahre ist es her, daß ich mich dazu entschied, auf Fleisch zu verzichten,…
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141 Versöhnliche Geste

Costa Rica, August 2014. Manche Unterkünfte sind so schön, daß es einem fast das Herz bricht, sie nach nur einer Nacht wieder verlassen zu müssen. Jene gepflegte, herrlich bepflanzte Anlage am Rincón de la Vieja Nationalpark gehörte eindeutig dazu. Über schmale, mit behauenem Naturstein verlegte Pfade, die dicht von bunten, fröhlichen, hüfthohen Blumen gesäumt waren,…
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140 Unbedarft

München, Juli 2020. Mittlerweile ist sie gestorben, meine Tante. Vierzehn Rosenstöcke habe ich gesetzt die letzten Wochen, winzige Fairy und opulent duftende Gospel, historische de Resht, zarte Aspirin, unbekannte Schönheiten – eine Art Sammlung ist es nun beinahe über die Jahre hinweg geworden, aber der Garten ähnelt einem schwarzen Loch: was man pflanzt, das schluckt…
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139 Fragmente

Israel, März 2017. Obwohl sie schön waren, man liebe Menschen kennengelernt hat und sie gar nicht lange zurückliegen, gibt es Reisen, an die ich mich bloß sehr lückenhaft erinnere. Israel ist eine davon. Dieses Land ist für mich nicht so stark mit Emotion besetzt, wie für viele tief Gläubige, und doch fand ich es wichtig,…
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138 Glockenläuten

München, Juli 2020. Seit Jahren stehen jeden Juli irgendwo versteckt im Wald, verzahnt mit mannshohen Brennesseln, Kletten, Baldrianen und üppig umsummten Himbeerblüten die warm-orangen, feurig leuchtenden Taglilien, die einst als illegale Gartenabfälle dort entsorgt worden sind und nun Saison um Saison ausgreifender, vielköpfiger wuchern, ein Fest für die Augen. Vor einigen Tagen sandte ich per…
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137, Teil II: Casati Augen Fortsetzung

Peru, Juni 2009. Ich denke, es war der vierte und vorletzte Tag des Trekkings, als Soroush mich mit seiner Aufmerksamkeit beehrte. Er erkundigte sich nach diesem und jenem, während er neben mir herwanderte, gelegentlich innehaltend, auf Pflanzen deutend, sie benennend, ihren Verwendungszweck als Nahrungsmittel oder Heilkraut erläuternd. Er pflückte kleine, ovale, aromatische Avocados am Wegesrand,…
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