Monat: Januar 2021

159 Verdreht im Kopf

München, Januar 2021. Kahlschlag im dörflichen Wald, alles umgenietet, was älter als 40 Jahre alt war, hunderte mächtige Bäume, darunter Fichten mit herrlich saftigem Holz ohne jede Moderstellen, bei denen ich 200 und mehr Ringe zählte, als ich zum Abschied meine Hand auf die harzende Wunde legte, und Eschen, “wegen dem Pilz”; wir wissen ja…
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158 Nichts Neues

München, Januar 2021. Die Ader in meiner Schläfe pocht; kurz vor dem Implodieren. Das Waldstück am Friedhof: gesperrt (Jagd). Das Waldstück an der Grundschule: gesperrt (Baumfällung). Ich sehe in Deutschland nur rot. Verbote. Maßregelungen. Restriktionen. Eingeschränkte, dezimierte Räume, natürlich zum eigenen Schutz. Durch diese rote Blume heißt es: Halt´s Maul, bleib zu Hause, konsumiere und…
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157 Ein paar Worte

München, Januar 2021. Die kinderfröhlich verzierten Kieselsteine, die im gesamten Wald ausgelegt waren – auf Stümpfen, im Farnnest, in rissige Rinde gestopft -, sind abgelöst von großen, folierten Sternen in Sonnengelb, welche Worte tragen wie Dankbarkeit, Hoffnung, Zufriedenheit; von Gesträuchzweigen baumeln sie herab, fremder Gruß, zeitverschobene Kommunikation, zwischenmenschliche Geste. Nach dem vierzigminütigen Schneeschippen – das…
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156, Teil VI: Eigentlich gar nichts besonderes

Azoren, Juni 2012. Tintenblau, blechern anthrazit wölbte sich die Nacht über uns. Es wirbelte das Meer ganz in der Nähe, ein Begleitorchester für das fulminante Konzert, in dessen Mitte wir uns begeben hatten: eine Tölpelkolonie – oder waren es Sturmtaucher gewesen? – stob durcheinander, auffliegend, sich niederlassend, vage Geschäftigkeit im raren Licht eines schemenhaften Universums.…
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155, Teil V: q.e.d.

Azoren, Juni 2012. Die richtige Rolle erwischte Wolfi. Zunächst hatte er mir ein wenig den Hof gemacht, ein klitzekleines bißchen nur, wie es ein weit durch die Weltgeschichte getingelter, im Flirten bewanderter, charmanter Wiener eben vermag, doch erfaßte er sehr geschwind meine Himmelei für den Guide und verlagerte sein Umgarnen auf eine andere. Luise war…
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154, Teil IV: Falsche Rolle

Azoren, Juni 2012. Ich wurde häufiger angemotzt. Weil ich zu lange unter der Dusche stand (es wurde mit einer Gaskartusche geheizt und daher rationiert, aber wie soll man denn das Shampoo aus dem damals über Po langen Haar kriegen?); weil ich eine Ecke vegan belegter Pizza vom Lieferservice wünschte; weil ich zu oft einen über…
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153, Teil III: Blödelei

Azoren, Juni 2012. Es war eine zerklüftete Bucht. Der weiße Schaum der aufspritzenden Gischt kontrastierte mit dem porösen Schwarz des Lavagesteins, ein Schachspiel, wer setzt seine Figuren klug? Wir hatten den so ziemlich einzigen sonnenmilden Tag unserer Tour erwischt und uns gleich in die Fluten gestürzt; unten wuchsen Seeanemonen und -würmer, wogende Ghirlandenkreise, tänzelnde Tentakeln…
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152, Teil II: In und Out

Azoren, Juni 2012. Es war der reinste Shakespeare´sche Possenreigen. Wer sich da in wen verkuckt hatte oder sich gleich mehrere Eisen im Feuer behielt, wer dazugehörte und wer sich in die Nesseln setzte, und überhaupt, der verwandelte Esel, der war ich, Sommernachtstraum made by Pico… Eine Gruppe junger Leute, die meisten Mitte/Ende zwanzig, die Älteste…
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151, Teil I: Wendepunkte

München, Januar 2021. Ich glaubte, meine Worte verloren zu haben. Ich glaubte, es sei vorbei, der Seelenblick, das Teig kneten, formen, backen, genährt werden von eigenen Texten, weil sie in diesem wedgewoodblauen Metallsarg versenkt worden war in texanischer Juli-Erde, Adieu, Tante, ich vermisse dich, vermisse deine üppigen, türkisen Schlaufen, die nach Mehr baten in den…
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150 In der Schwebe

München, Januar 2021. Die Zeit zwischen den Jahren ist fragil; es heißt, die Geister fänden hier ein Einfallstor zurück auf die Erde. Ich selbst erlebe diese Tage stets als eine Art Schwebe, als etwas, das sich erst wieder ausbalancieren muß, wie ein alter, riesengroßer Stundenzeiger, der nach dem Vorrücken noch einige Sekunden wackelt, ehe er…
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