150 In der Schwebe

150 In der Schwebe

München, Januar 2021.

Die Zeit zwischen den Jahren ist fragil; es heißt, die Geister fänden hier ein Einfallstor zurück auf die Erde. Ich selbst erlebe diese Tage stets als eine Art Schwebe, als etwas, das sich erst wieder ausbalancieren muß, wie ein alter, riesengroßer Stundenzeiger, der nach dem Vorrücken noch einige Sekunden wackelt, ehe er zur Ruhe kommt.

Man könnte annehmen, mein Blog sei dabei, einzuschlafen, weil die Intervalle zwischen den einzelnen Beiträgen sich beständig in die Länge ziehen. Ja, das Schreiben hat sich verändert, fraglos. Ich suche seit Monaten, wonach ich mich ausrichten möchte, positionieren, wie politisch, individuell-intim ich mich auslassen soll, wo sich die Grenze befindet zum – zum schlechten Geschmack? Die unzähligen Kladden meines tintenschriftlichen Gedankenbuches quellen über vor Schilderungen heimischer Natur, vor Auseinandersetzungen mit Büchern (vornehmlich Biographien) und Filmen, vor Lobpreisungen der Kunst, insbesondere aber vor Emotion. Was davon kann und will in den Blog transferiert werden? Und wen bitte schön frage ich das alles eigentlich, einen Leser, mich, den unbekannten Geliebten, die Welt?

Ein bißchen weiterhin wird er mich erfreuen, der üppig traditionell geschmückte Baum mit seinen matt und hoch glänzenden Kugeln, Herzen, Zapfen in Weinrot, Rostorange, Honig, Rosé, Lindgrün, Fuchsia, mit den nostalgischen Strohsternen und zarten goldenen Lamettafäden. Der Duft frisch gekochter Quittenmarmelade – die Früchte eine Gartenernte – an weihnachtlich-winterlichen Gewürzen und Rum zieht durch die Wohnung, Regenwaldgeprassel und exotische Vogelrufe im Wechsel mit Cat Stevens´ Peace Train und Barabara Hendricks´ Adventsarien – welch eine Mischung! – tönen aus der Musikanlage. Zwei bis drei dutzend Spatzen hopsen dick aufgeplustert durch das Geränk der Kletterhortensie gegenüber dem Fenster. Der Hund schnarcht unter seiner Decke. Manchmal ist das Glück ganz bescheiden, still. Es ist die Zeit zwischen zwei Jahren, ich horche auf die Geister, Stimmen unserer Vergangenheit.

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