158 Nichts Neues

158 Nichts Neues

München, Januar 2021.

Die Ader in meiner Schläfe pocht; kurz vor dem Implodieren. Das Waldstück am Friedhof: gesperrt (Jagd). Das Waldstück an der Grundschule: gesperrt (Baumfällung). Ich sehe in Deutschland nur rot. Verbote. Maßregelungen. Restriktionen. Eingeschränkte, dezimierte Räume, natürlich zum eigenen Schutz. Durch diese rote Blume heißt es: Halt´s Maul, bleib zu Hause, konsumiere und zahle Steuern. Nicht denken. Schon gar nicht: nachdenken, hinterfragen, innehalten, prüfen. Wem oder was schenke ich Glauben, weshalb tue ich es (oder nicht), wohin führt das, welche (Handlungs-)Konsequenzen ziehe ich daraus? Die Ader in meiner Schläfe sagt mir, daß Grenzen erreicht sind, physische, psychische. Die meisten Leute meinen sich im Spiel “Ausharren, bis alles wieder so wird wie vorher”. Das Vorher ist passé, unwiderbringlich verloren, Adieu, Arrividerci, Bye bye, zerstört. Wie alles Menschliche in der Jahrtausende alten Geschichte wiederholen sich meine kleinen individuellen Erfahrungen und Befürchtungen.

 

1899 schrieb die Autorin Ebner-Eschenbach: “ Die Verwilderung und Verdummung, die jetzt herrschen, sind notwendig. Die Menschen müssen zu dem Weltkrieg, der bevorsteht, präpariert werden. Zu dem gegenseitigen Auffressen schärft man sich jetzt die Zähne.” 15 Jahre Vorausblick hatte diese Frau damals besessen, sogar eine Bezeichnung verwendend, die Historiker erst nach dem Zweiten Weltkrieg einführen sollten (bis dato hieß die Spanne 1914-1918 ja noch der “Große Krieg”).

 

Und dieses Gedicht wurde tatsächlich gegen das Jahr 400 n.Chr. vom Lyriker Tao Qian verfaßt:

In später Pracht erblühen die Chrysanthemen,

Ich pflücke sie, von Perlentau benetzt.

Um ihre Reinheit in mich aufzunehmen,

Hab ich zum Wein mich herabgesetzt.

Die Sonne sinkt, die Tiere gehen zum Schlummer.

Die Vögel sammeln sich im stillen Wald, –

Fern liegt die Welt mit ihrer Unrast Kummer.

Das Leben fand ich, wo der Wahn verhallt.”

 

Das Leben fand ich, wo der Wahn verhallt. Eintausendsechshundert verstrichene Jahre, die mir in die Seele hineinrauschen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert