152, Teil II: In und Out

152, Teil II: In und Out

Azoren, Juni 2012.

Es war der reinste Shakespeare´sche Possenreigen. Wer sich da in wen verkuckt hatte oder sich gleich mehrere Eisen im Feuer behielt, wer dazugehörte und wer sich in die Nesseln setzte, und überhaupt, der verwandelte Esel, der war ich, Sommernachtstraum made by Pico… Eine Gruppe junger Leute, die meisten Mitte/Ende zwanzig, die Älteste 36, das Epizentrum der Held-Guide, strahlendes Selbstbewußtsein, Coolness, Taucher-Fotograf samt Entourage, so gondelten wir über die Insel. Ich muß gerade herzlich lachen, während ich mir das Bild vorstelle, das wir geboten haben mögen.

Wir wurden aufgeteilt auf zwei separate Häuser mit jeweils Gemeinschaftsküche und Bad, ich kam als einzige bei den Jungs unter, wieso, das weiß ich nicht. Vermutlich, um mir das pinke Themenzimmer zu vergeben, in dem alle Nuancierungen und Schattierungen von Rosa existierten, von der Tapete über den Teppich, von der Bettwäsche über den Lampenschirm hin zu Vorhängen und Handtüchern, alles in diesem Raum war magenta, fuchsia, altrosé, puderrosé, barbiefarben, ein Kleinprinzessinnentraum, für eine Erwachsene eine Strafe, sollte es für zwei völlig verregnete, ungemütliche Wochen meine Heimstatt sein… (Die Jungs nächtigten in blauen, gelben sowie grünen Zimmern, ein wahrer Design-Knaller, trotzdem sehr liebevoll gestaltet.)

Es dunkelte. Ich blickte aus dem Fenster des im Neo-Kolonialstil erbauten mehrgeschossigen Hauses hinunter auf die ansteigende, bucklige, kopfsteingepflasterte Gasse, durch welche mit klackenden Absätzen die Einheimischen schritten, klipp klipp, klipp klipp, die Schirme aufgespannt. Das warm rotorange Licht der Straßenlaterne spiegelte sich im wetternassen Glanz des Bodens wieder. Es stimmte mich auf wohlige Weise melancholisch, ich, der unbemerkte Beobachter, Metapher meines Lebens. Drinnen, hinter mir, herrschten Trubel und Heiterkeit, Ausgelassenheit. Die Jungs hatten die ganze Gruppe, wir waren zu neunt, eingeladen zum abendlichen Diner, wobei sie je landestypische Gerichte kredenzten: Fritata vom spanischen Skipper, Buletten vom Ostdeutschen, Palatschinken vom Österreicher, dazu Salate – ich beteiligte mich hernach maßgeblich am Abwasch, wenigstens dies. An die Gespräche erinnere ich mich nicht, ich glaube, ich hatte mich da bereits in meine Kapsel zurückgezogen, um nicht überfordert zu werden von Eindrücken und Gefühlen, eigenen, fremden, denn damals wußte ich noch nichts von Hochsensibilität und den gesunden Methoden, sich gegen einen Totalausfall zu wappnen, Yoga zum Beispiel oder das klare Setzen von Grenzen. Ich wollte unbedingt dazugehören und wußte doch, daß ich so anders war – vor diesem Zwiespalt flüchtete ich mich erst in Schweigen und schließlich in eine deftige Erkältung, die mir die Ohren verstopfte und es mir unmöglich machte, nicht direkt an mich gerichtete Sätze zu verstehen. Der Held, er saß am mir entferntesten Platz, berichtete über weitere Tattooprojekte, von Reisen, Expeditionen, vom Abenteurerdasein, und selbst wenn ich gewollt hätte: ich verstand nicht, was er sprach. Ich Flasche hatte die Atlantikkälte nicht gepackt.

Where do You go Where do You go when hearts are closed?

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