129 Zufallsglück

129 Zufallsglück

München, April 2020.

An einem Montag spazierten wir zu üblicher Zeit, nach dem Kaffee, gegen halb vier ein Feld entlang hin zum Moor. Die Sonne warf ein hartes, weißes Licht, das den wolkenlosen Himmel blass-blau ausbleichte, als habe Gott sehr viel Milch hineingetan in seinen Curaçao. Weit über den Birken und Kiefern sah ich etwas, von dem es später heißen sollte, daß ich es zu meinen Lebtagen nie wieder würde beobachten werden. Ein Vorgang, der zwei bis drei Sekunden andauerte, ein Hauch von Nichts, Sekunden, die breit und prall Raum einnehmen in meiner Erinnerung. Vielleicht komme ich mit der Reihenfolge durcheinander, aber so hat es sich mir eingeprägt: an diesem völlig überstrahlten Himmel wurde ohne Vorankündigung akkustischer oder visueller Art ein vorbildlicher, steiler Bogen beschrieben von einem zunächst blauen oder grünen Lichtpunkt, in seiner kalten Intensität LED-Lämpchen gleichend, der unvermittelt scharf weiß wurde und zu einem Streifen auswuchs, eine Verwandlung ähnlich Feuerwerkskörpern in Silvesternächten. Schließlich ging es über in eine orange-rote Kugel, die verglühte und nichts, rein gar nichts hinterließ, als sei es ungeschehen. Ich war völlig außer mir, perplex! Obwohl ich seit zwanzig Jahren fast täglich draußen bin in der Natur, sei es zu Hause oder auf Reisen, hatte ich solch ein Leuchtphänomen noch niemals erlebt! Wie stark und hell mußte das Licht gewesen sein, daß es sich derart deutlich, fast gespenstisch abzeichnete vom sonnenschwangeren Firmament! Ich dachte an einen Meteoriten, an ein Signalfeuer der Notrufpistolen, die ich bloß aus dem Fernsehen kannte, an ein Flugzeug- oder Satellitenunglück, an ein militärisches Manöver – man merkt, ich war absolut nicht imstande, die Beobachtung einzuordnen.

Aus Neugierde schrieb ich daheim an die Münchner Volkssternwarte, an einen Professor der Technischen Universität München, füllte ich online Formulare aus der ESA sowie einer Forschungsstation in Berlin. Ich wandte mich gleich an vier verschiedene Stellen, weil ich es gewohnt bin, ohne Antwort zu bleiben und sicherstellen wollte, daß wenigstens eine der Institutionen Resonanz gab. Binnen weniger Stunden lag in meinem Mailfach die Rückmeldung von allen vier Seiten, war es zu fassen! Man beglückwünschte mich, ich sei Zeugin einer Tagfeuerkugel geworden, die am 6. April 2020 um 15.33 Uhr erschienen war über Bayern; Tagfeuerkugeln treten alle paar Jahre auf – weltweit! Man vermutet, diese sei irgendwo bei Salzburg wirklich als Meteorit niedergegangen; etwa 90 Personen hatten sich wie ich gemeldet, sogar eine zufällige Handyaufnahme existiere. Die wissenschaftlichen Aufzeichnungen waren ausgeblieben – die Teleskope fotografieren bloß nachts. Ha! Ich lachte. Freute mich. Ob es verständlich wird? Ich freute mich so sehr, daß ich zur rechten Zeit am rechten Ort in den Himmel gekuckt hatte, um einen seltenen, immateriellen Schatz für meine Seelentruhe zu bergen. Nein, ich hatte mir nichts gewunschen – das Ereignis an sich war mir Erfüllung genug, Danke, wem auch immer.

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