45, Teil I: Im Wadi Rum

45, Teil I: Im Wadi Rum

Jordanien, September 2011.

Auf dem Weg dorthin zu diesem violetten, rauen Felsgrund, der mir zum Fotografieren einladend erschien, als ich gedankenverloren und fast von der mittäglichen Wüstensonne benebelt über den ungewohnt nachgebenden, Steinsplitter übersäten Boden stapfte, da wurde ungeheuer schnell ein trockenes Holzzweiglein lebendig und sprang mich an. Der Schreck, die Intuition ließen mich mit einem großen Hüpfer zurückweichen, und auch die Schlange kam mir ein zweites Mal entgegengeschossen, ehe sie eilends in eines der kleinen, kargen Gesträuche kroch. Ein Gefühl veranlaßte mich, mich nach unten zu wenden: ein fast unsichtbarer Rüsselkäfer, formidabel an den sandigen Untergrund angepaßt, krabbelte an meinen Füßen vorbei, gut fünf Zentimeter groß, sich allein durch die Bewegung verratend. Ich hatte die Schlange ihrer Mahlzeit beraubt…
Ich erzählte dem Guide von dem Reptil, ein paar arabische Worte bellten zwischen der Wasserpfeife hervor, die er gerade während der Rast rauchte, und zwei der Begleitmänner folgten mir, sichtlich beunruhigt. Lange dauerte ihre Suche an, spähten sie auf die unzähligen Spuren im hellen, feinen Sand, durchstocherten sie Büsche; da erst begriff ich die Gefährlichkeit des Tieres ganz und dankte meiner unterbewußt abgelaufenen Reaktionsfähigkeit… Später sollte ich erfahren: ich war einer Sandviper begegnet, ihr Biß ohne Gegenserum – das wir nicht mitführten – tödlich.

Zwei Jeeps zerrissen das Band der Zeit, die arabische Musik, die aus ihnen quoll, Motorrasseln, ein Hupen. Fremdkörper, die bald wieder verklangen. Es gab unter meinen Schritten kein ordentliches Heute, Morgen, Gestern, nur ein Eines, einen Ort, den die Menschen in die Karte irgendwann einmal als Jordanien eingeschrieben hatten. Da war kein Jordanien, da war nur ich mit meinem Körper, der mich trug, und das Andere, das mich ausfüllte, Glück und Sehnsucht, Freiheit, eine Ahnung davon.

Nächtliche Helligkeit: ein Halbmond, die leuchtende Venus, beinahe alles überstrahlend, und Myrriaden an Sternen, ferneren und näheren Punkten, fix und dennoch wabernd, das winzige Menschlein – mich – hinaufsaugend in ihre unermeßliche Fülle, hinein in die megalomane Weite dieses Diamanten- und Kristallschleiers; unbekannte Geräusche in der ebenso unbekannten, vollkommenen Stille. Skorpionsmusik, sagte der Guide.

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