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60, Teil II: Armut

Äthiopien, Januar 2019. Um halb drei Uhr morgens wurden wir geweckt – ich hatte gar nicht erst zu Morpheus gelangen können und war heilfroh, mich endlich erheben und den Trek angehen zu dürfen. Eine Stunde später begannen wir unser Tagespensum in fast völliger nächtlicher Bläue, die nichts preisgab als unsere klobig-ledernen Schuhe auf dem steinigen…
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59, Teil I: Adrenalin

Äthiopien, Januar 2019. „Doris, Doris, mach die Tür auf!“ Im Pyjama und mit gelöstem Haar stand ich auf dem Hotelflur, der zugleich eine zur verlassenen Straße hin offene Veranda war, das Schweizer Taschenmesser aufgeklappt in den Händen haltend, heftig zitternd. „Bitte, Doris, mach auf!“ Mein Flüstern nahm einen panischen Ton an. Ich lauschte in der…
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58 Von Lebenshunger, Regelbruch und Chiffren

München, Januar 2019. Wer tat den Ausspruch, wir seien die Summe unserer Begegnungen? Ist es bloß esoterisches Geschwafel, daß alles mit allem verbunden sei in diesem Universum? Gehören Coelhos Soulmates ins Reich des Kitsch? Weshalb sucht man sich bestimmte Vorbilder, persönliche Helden der Kunst, Literatur, des sozialen oder ökologischen Engagements? In diesem noch sehr jungen…
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57 Fang mich doch

Galápagos, Juli 2009. Die Gruppe stürzte sich auf den Seelöwen. Man hatte uns erzählt, wir könnten im Wasser mit den Tieren „spielen“, was immer das heißen mochte. Ich liebe es, mit anderen Geschöpfen – nichtmenschlichen Wesen – in Kontakt zu treten, eine Beziehung herzustellen, und sei es für Sekunden, Minuten, wenngleich ich nie eine solch…
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56, Teil II: Dem Nebel davongelaufen

Schottland, Mai 2016.   „Ah, du weißt es noch nicht!“ „Was?“ fragte ich, die ich gerade die Küche betreten hatte zum gemeinschaftlichen, abendlichen Abwasch (der sich stets so gestaltete, daß die Männer ratschten, während die Frauen spülten und trockneten). „Wir frühstücken morgen nicht.“ „Wie bitte?“ Der Mann, ein nervender Rechthaber mit Bierbauch, setzte eine belehrende…
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55, Teil I: Wohnen im Jagdschloß

Schottland, Mai 2016. Der Tisch war eine eicherne Tafel, die fast den gesamten Raum einnahm, gedeckt mit weißem Leintuch, Porzellan und Silberbesteck zu Kristallgläsern. Das „Standorthotel“ der Wanderwoche hatte sich als ein Jagdgut des 17. Jahrhunderts entpuppt, die Steinmauern uneben, urig dick, gekalkt, die Fassade türmchenversehen, das Dach aus Schieferschindeln tief gezogen und von mehreren…
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54 Betrachtungen

München, kurz vor Heiligabend 2018. Jemand wird weinen, ganz gewiß; es werden ihrer viele sein. Wieder andere werden keine Kraft mehr haben dazu, innerlich verhärtet, ausgeblutet, resigniert sich fügen. So wird das sein, weil es jeden Tag so ist: die Mutter aus dem Dorf, die ihre Tochter bei einem Verkehrsunfall auf Glatteis verloren hat; der…
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53 Federn

She was like a feather In the air I never knew If she was flying Or falling   (Aura Dione, “Sophie”)   Augsburg, Juli 2015. Es roch nach Thymian und Minze, nach Sonne, Hitze und Fluß. Man spazierte durch einen Garten Eden voller Waldreben, Ochsenaugen, Knabenkräutern; bunter Blütenschaum, über den Schachbretter und Zitronenfalter hinwegsegelten, schlaftrunken…
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52, Teil II: ABER ABER

München, Dezember 2018. Ob ich eigentlich wisse, daß die Inkubationszeit der Tollwut bei bis zu achtzehn Jahren liege. (Ich muß gestehen, daß ich als wandelndes Lexikon gelte, was nicht unbedingt als freundliches Kompliment gemeint ist, sondern oft mit verdrehten Augen hervorgebracht wird.) Tatsächlich wußte ich es in diesem Fall nicht. Und daß es mir passieren…
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51, Teil I: ABER

München, Dezember 2018. ABER ABER ABER, sah ich in gezierter Schrift silberblau auf den Betonschallschutzwall einer S-Bahn – Station gesprayt und mußte unwillkürlich schmunzeln über die anonym hinterlassene Botschaft. Manchmal liest man linkisch hingeschmierte Parolen wie Pharma tötet oder in fröhlich-mädchenhaften Lettern verfaßte Scherzsätze: Wenn keiner einen Vogel hätt, wär die Welt nur halb so…
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