99 Nachtrag zum zehnten Todestag einer Verschwiegenen

99 Nachtrag zum zehnten Todestag einer Verschwiegenen

München, Juli 2019.

 

Wenn man etwas wirklich leidenschaftlich tun will, dann macht man es; konsequent, zielstrebig, hartnäckig, ausdauernd, man handelt und findet darin Erfüllung sowie Erfolg.

Wenn man etwas von Herzen haben möchte, dann setzt man sich ein, es zu gewinnen, strebt unaufhörlich danach, bis es einem gehört.

Ist es so?

 

Kann man das Leben mit Garantie zum Gelingen zwingen?

Kann man Tote zurückholen?

Eine Liebe Liebe werden lassen, was immer darunter zu verstehen sei?

 

Mein Blog ist eine Flaschenpost. Wohin sie schwappt, ob sie untergehen, zerbrechen wird, an einer Küste zerschellen, gefunden werden, vermag ich nicht, vorauszusagen.

 

Das zitronenfarbene Geißblatt, morgens und abends betörend duftend, tagsüber ertrinkend im Bienengesumm, nachts falterumflattert, verzahnt sich üppig mit einer violettblauen, großblütigen Clematis. Der chlorophyllene Teppich besteht weiterhin aus Kletterhortensie und Hopfen und stellt nur einen Bruchteil der Gartenpracht dar, an der ich seit ein paar Jahren mitwirke. Wenn ich mir dieses Bild besehe, ein Flor aus Lebendigkeit und Energie, aus Vielfalt und Schönheit, frage ich mich: gibt es nur eine einzige Art Leidenschaft, nur eine maximal brennende Intensität, nur eine singuläre Form von Passion? Oder darf das Feuer auch leise auf niedriger Flamme lodern, still und beständig, sich weniger wild verzehrend aber dafür nachhaltig glimmend, unbeachtet, unbemerkt von einem Publikum, einfach so, einfach seiend?

Es war mein kleines, naives Idyll, meine wahr gewordene, unscheinbare Märchenszene, wie ich im geöffneten, sechzehn Jahre alten Cabrio nach Hause fuhr, auf dem Beifahrersitz der auf einem Kissen ruhende, schnarchende Hund, der Fußraum genau wie der Kofferraum vollgepfercht mit Stauden: rosa Phlox, orange Duftnessel, korallenfarbener Sonnenhut, meerblaue Perovskie, dottergelbe Taglilie, eine lippenstiftrote Rose namens Montana, die natürlich gekauft werden mußte, weil sie den gleichen Namen trug wie mein neues Fellknäuel, das mich seit nun mehr neun Wochen auf Trab hielt, da es prinzipiell alles fraß, Nacktschnecken, Zigarettenkippen, Styroporfetzen, Spülschwämme, giftige Waldpilze… Bei braven 100 Stundenkilometern brauste ich vor mich hinsummend über die geschwungenen Landstraßen, an deren Rändern Wegwarte, Kronwicke, Wilde Möhre, Greiskraut, Natternkopf, Rainfarn, Färberwaid miteinander konkurrierten in ihrer lebensbejahenden Kraft, während die gereiften, goldenen Kornfelder von den Bauern eingebracht wurden.

Kurzer Zwischenstop im Moor: welch Zauber…

Ein zeitgenössischer Philosoph – ob kompetent, darüber weiß ich kein Urteil zu fällen – meinte, der Sinn des Lebens sei das Leben selbst. Manchmal würde ich das meiner Schwester gerne sagen. Oder Leuten, die die eigenen Maximen und Überzeugungen für als pauschal gültig für alle Menschen dieser Welt erklären.

 

Leben ist der Sinn des Lebens.

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