19, Teil IV: Reisefrust
Sri Lanka, November 2015.
Durch das geöffnete Fenster drangen verhaltener Verkehrslärm, Gehupe, Sprachfetzen und vor allem immer wieder Regengeprassel. Ich war ausgereizt von Bettwanzen, Blutegeln, Sandflöhen, fotowütigen Mitreisenden, Kaffeefahrtaktionen mit Einkaufsgelegenheiten (Gewürzfarm, Edelsteinladen, Teeplantage, Souvenirshop) und vom Platzregen, der seinen Weg binnen kürzester Zeit in die Wanderschuhe und durch die imprägnierte Jacke schaffte. Der Rücken schmerzte vom überlangen Bussitzen und fehlendem Sport. Trekking, Sri Lanka aktiv, Wanderparadies, alles Begriffe des Veranstalters, die in die Irre führten. Neun Kilometer ebener Fläche wurden als Wanderung tituliert. Die Gruppe wollte essen, Kaffee oder Tee trinken, Zug fahren und ließ sich dafür sogar das einmalige Erlebnis einer kurzen Nebelwaldtour entgehen – Primärwald! Seltene Tiere wie Fischotter oder Bäraffen wurden hirnrissigerweise vertrieben im naiven Versuch, fotografische Meisterwerke zustandezubringen. Von allen Widrigkeiten entnervte mich am meisten der übernasse Monsun, wozu es im Baedeker heißt: „Unbedingt meiden: die Regenmonate Oktober und November“, vielen Dank, Reiseveranstalter! (Die Tour fand Ende Oktober, Anfang November statt.)
In den Horton Plains, ein Nationalpark, gefiel es mir sehr gut, die sanften hellbraun-olivenen Grashügel, von Rhododendren durchzogen, der sich entlangschlängelnde Fluß, der üppige Nebelwald, geprägt von einer Wand aus Bäumen, Gestrüpp, Flechten, Farnen, Bambus, gespickt mit Orchideen und anderen Blüten in Blau, Pink, Gelb, Weiß. Die urigen, knotigen Bäume verbargen unzählige Vögel, die immer wieder mit ihren Lautfolgen erfreuten. Große schwarz-weiße Schmetterlinge segelten still vorüber, Nebel zog heran, ein weißes, verschlingendes Nichts, sich auflösend, erneut sich zusammenballend wie ein gigantischer Odem. Der Pfad zeigte rote und ockerfarbene Erde, zuweilen dekorativ gebändert, eine schmucke Farbenpracht, die zum dunklen Grün der Vegetationsmasse kontrastierte. Lautstarke, beinahe hysterische Chinesenschwärme störten häufig Ruhe und Frieden des Ortes und machten jede Chance auf Sichtung eines Leoparden zunichte. Kurz nachdem ich verbotenerweise und heimlich die Buschtoilette benutzt hatte, entdeckten wir allerdings frischen Leopardendung, der Hirschfell enthielt… Auch Pfotenabdrücke direkt auf unserem Weg kamen desöfteren vor.
Eine Schwarzlippenagame verschmolz fast mit ihrem Thron, irgendein niedriges Gesträuch. Die Besteigung des Adam´s Peak war einfach, die 5200 Stufen gut zu meistern, nur das letzte Stück etwas steil. Ich pflückte eine Blüte, creme-lachsfarben, angenehm duftend nach pudriger Vanille und sanfter Orangenfrucht, ein Fest für die Nase und überhaupt nicht aufdringlich.