95, Teil II: Pinke Überraschung

95, Teil II: Pinke Überraschung

Dubai, Januar 2016.

Ich neige zu Wetterpech, erwische oft Regenfronten, plötzliche Wintereinbrüche, unvorhergesehene, heftige Gewitter, die meine Outdoortätigkeiten eintrüben; ich hatte mich lange daran gestört (weshalb ich mich hier im Blog recht häufig über zuckende Blitze, krachende Donner, mieses Dauernaß beschwere, im Rückblick eine gute Portion Humor einstreuend, vgl. z.B. Einträge 18 und 79), bis ich im Laufe eines Workshops auf Grönland 2017 Charlie kennenlernte: sein Gemüt purer Sonnenschein, die Laune stets brillant, eine wahre, authentische, positiv gestimmte Frohnatur. Ich sprach meine Verwunderung aus über das vorherrschende, heitere Gleißen, das Grönland eine verspielte Note andichtete und die Farben der herbstlichen Tundra aufleuchten ließ, weil ich ja sonst eher düstere, platzende Wolkenbänke und kalt-feuchte Tristesse gewohnt war.

„Oh!“ rief Charlie aus. „Ich wünschte, es würde einmal regnen!“

„Hä?“

„Ja, überall, wo ich hinkomme, scheint die Sonne. Das ist ja ganz nett, aber weißt du, für stimmungsvolle Fotos beinahe eine Katastrophe! Selbst während meiner Islandtour zeigte sich ausschließlich famoses Wetter, kein Wölkchen, kein wabernder, verhüllender Bodennebel, nichts dergleichen, wie soll ich denn da Mystik und etwas Geheimnisvolles, Spannungsreiches in meine Bilder kriegen?!“

Charlies Sichtweise verhalf mir also zu etwas mehr Gelassenheit, was Schlechtwetter während einer Reise betrifft, aber 2016 hatte ich diese Perspektive noch nicht eingenommen.

 

Kurz und gut: als ich mich in der Wüste Dubais aufhielt, regnete es gelegentlich, obwohl aufs Jahr gerechnet nur circa fünf  Regentage auf diese Region kommen. Die zur Verfügung gestellten Zelte waren daher selbstverständlich nicht wasserdicht, die darin aufbewahrte Kleidung, der Schlafsack wurden feucht und klamm. Trotzdem genoß ich den Kontrast des anthrazitfarbenen, drohenden Firmamentes zum goldenen, schimmernden Ton der sanft geschwungenen, Windmuster gestempelten Dünen, ergötzte ich mich an der Gazelle, die inmitten des aufkommenden Morgendampfes reglos stand, das Gehörn rot gefärbt von der aufsteigenden Sonne. Sogar einen Pilz fand ich eines Tages, er kämpfte sich eben aus dem losen Grund hervor, im jungen Stadium einem Tintenschopfling ähnelnd, wie ich ihn aus dem heimischen Wald kenne, nur war dieses Exemplar von quietsche-pinker Farbe, quasi eine Barbie-Version des Gewohnten. Ich fotografierte ihn geflissentlich für Stephen, den südafrikanischen Reservatsleiter, mit dem ich im Spaß stets scherzend stritt, ob Kameras der Marke Canon oder Nikon besser seien, und Stephen legte den Kopf schief und sagte:

„Das habe ich hier noch nie gesehen! Ich weiß echt nicht, was das ist…“

 

Ich kostete jede Nacht mein Zu-Bett-Geh-Ritual aus, auf das ich mich im Vorfeld daheim in Deutschland so sehr gefreut hatte. Ich tauchte meine Hände in das abgekühlte Wasser des Plastikbehälters, es mir über das Gesicht schöpfend, mich langsam reinigend, den Wüstenstaub abschminkend. Eine frische Brise tänzelte über die stillen Dünen, die zart beschienen waren vom Sternenmeer. Gelblich-grün pulsierten die stets geheimnisvollen, unerreichbaren Lichtpunkte in der azuritblauen Dunkelheit, mich streichelnd mit ihrem zauberhaften Blinken. Ein knorriger Baum warf in der mondhellen Nacht lange, dunkle, verzerrte Schatten. Genüßlich rubbelte ich mir Wangen, Nase, Stirn, Kinn trocken, bewußt atmend, die Atmosphäre aufsaugend.

Manchmal braucht man so wenig im Leben, etwas Wasser, nächtliche Schemen, stärkenden Lufthauch, Sternengeflimmer, Wüstenboden. Und eine nützliche Aufgabe, in diesem Fall: biologische Assistenz.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert