73, Teil VI: Just Talking, sagte er

73, Teil VI: Just Talking, sagte er

Oman, Februar 2011.

Unser Abendessen war vorüber, man suchte seine Zelte auf. Das Bier hatte mich ein wenig benebelt gemacht, auf angenehme Weise leicht und schunkelnd.

Das Meer raunte mir zu, lockte mich. Unmerklich schwankend entfernte ich mich vom Lager, gemächlich ausschreitend. Ich war allein. Dieses Alleinsein war von unbeschreiblicher Schönheit. Wieder war es gut, wie es war, alles. Der Mond war angeschwollen und warf wundervolle, herrlich-silbrige Fluten. Wie gewirkte Fäden, wie geschmolzenes Metall blinkten die Wellen, und auch der Kieselstrand glitzerte, als lägen Diamanten verstreut. Wolken pflügten über den Himmel wie ausgeklügelt beleuchtete Kulisse.

Ich hörte seine Schritte im Schotter hinter mir, bedächtig, unnachgiebig, „Just talking!“, versicherte er mit schüchtern-charmantem Lächeln.

Es war 1001 Nacht. Jede seiner Berührungen war perfekt, zärtlich, respektvoll, wohlüberlegt, nichts unverschämt, nichts falsch.

Ich konnte in den Himmel schauen, die glatten Steine unter mir wie ein bequemes Lager, die laue Luft der letzten Stunde des Tages, dieses Licht, ausreichend und beschützend zu gleich, leitend und verhüllend, Licht des vollen Mondes, der Sterne, gebündelt in lebendigem, flüssigem Brokat. Unsere Hände tanzten wie kunstvolle Schlangenkörper, geschmeidige Silhouetten, beschworen von einer unbekannten Macht. Ich fühlte die Küsse und Liebkosungen auf meinem Kinn, meinen Hals, den Schlüsselbeinen; die Finger auf meinen Rippen, dem Bauch; ich spürte sein Gewicht auf mir, das mich nicht erdrückte, die Zeit, die er hatte, die Geduld, das Begehren. All die Zeit… Zeit, die aufgehoben war, Zeitlosigkeit. Er scherzte viel in leisem Ton, zwischen den Küssen, lachte, hielt immer wieder inne, um mich im Dunkel zu betrachten. Daß er mich liebe, sagte er, und Mimo solle ich ihn nennen, für mich Mimo. Ich dachte an die kleine rosa Blume, die ich während der Tour plötzlich zwischen meinen Sachen gefunden hatte, ohne mir erklären zu können, woher sie stammte.

Jeeplampen schnitten durch die sanfte Finsternis, Flutlichtern gleich, die Flüchtige aufzustöbern haben. Wurden wir gesucht? Aus Eifersucht? Ich dachte an Younis. Aus Sorge? Ich dachte an Henning. Oder eroberte sich jemand anderes ebenfalls die Ungestörtheit  einer omanischen Strandnacht? Patrick und Maureen vielleicht. Mahmood  und ich richteten uns auf, drückten uns an den Felsen, um uns zu verbergen, lauschten hinein, in das, was kommen möge. Ich sah klar den angespannten Ausdruck auf seinem Gesicht, die schön modellierten Muskeln seiner nackten Arme. Ein hübscher Körper.

Ich entschied mich dagegen. Bat ihn zur Umkehr, heimlich den Lichtkegeln des ominösen Land Cruisers ausweichend. Nicht aus Angst vor Entdeckung, sondern weil es gut war genau so.

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