40, Teil II: Frei von Vergleichen

40, Teil II: Frei von Vergleichen

München/Madeira, November 2018.

Aber zurück zur E-Mail. Ich hatte irgendwann während meines Studiums damit begonnen, zeitgenössischen Künstlern (umfassend gemeint im Sinne „Großer Charaktere“), deren Werke stark in mir nachklangen, kurze Nachrichten zu schicken, neudeutsch Feedback zu geben, treffender gesagt vielleicht: Resonanz zu erzeugen. Ein Widerhall werden. Ein Spiegel. Ein Gegenüber. Atmend und real und menschlich. Hier eine kleine Auswahl der Angeschriebenen: Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Ethologe. Umberto Pelizzari, Apnoetaucher. Ulla Lohmann, Fotografin. Michael Martin, Fotograf. Bence Maté, Fotograf. Audun Rikardsen, Fotograf. Robert Müller-Grünow, Duftkreateur. Sabin Tambrea, Schauspieler. Dennis Freischlad, (Reise-) Autor. Markus Steiner, (Reise-) Autor. Und viele, viele, viele mehr.

Ich wollte eigentlich von den mit klassischer Musik gefluteten Lavasteinhöhlen erzählen, von den moos- und flechtenbehangenen, nebelumwaberten, urwäldlichen Lorbeerbäumen, den Steilküsten und Meeresgärten, karg-schroffen Gipfeln, von den köstlichen Vanillepuddingtörtchen und Cassata-Desserts (=Mandelparfait), den stolzen, überbordenden, famos ausgestatteten Kirchen, dem doppelten Regenbogen über der Brandung, erzählen vom schwer-süßen Wein und von Farnen, Lilien, Paradiesvogelblumen, bröckelnden Steinhäusern, frisch getünchten Gebäuden, von sich räkelnden Katzen und gluckernden Levada-Bächen.

Stattdessen berichte ich etwas ganz anderes: daß ich eine Antwort erhalten habe von jemandem, den es genauso zu schreiben drängt wie mich; der sich charmant entschuldigt für seine um mehrere Monate verspätete Nachricht, indem er eingangs Stefan Zweig zitiert: zur Musik gehöre die Pause. – Im Anfang war das Wort, sagt die Bibel, das Wort, das sich an jemanden oder etwas richtet, Worte als Hinwendung, Hingabe, als Hallo ans Leben.

Seit ich in diesem Blog veröffentliche, weiß ich, daß es mich gibt. Ich bin gelassener geworden, gefaßter. Ich muß niemanden verehren mehr (darf es aber, wenn ich möchte), muß mich nicht verzehren nach heldenhaften Soul Mates und vergleichen mit unerreichbaren Idolen; ich brauche nicht der perfekte Fotograf zu sein mit allseits geschätzten Bildern, der geschliffen eloquente Literat, zurechtrückende, das Recht der Welt verteidigende Ethnologe, ausdauerndste Sportler, die „tolle“ Frau. Meine Texte benötigen keinen absolut roten Faden, meine Fotos kein Highcost-Bearbeitungsprogramm, um zu genügen. Ich muß kein gedrucktes Buch in den Händen halten, um mich als Schreibende zu bezeichnen. Durch den Blog – egal ob mit Gefolgschaft oder ohne, ob breit wahrgenommen, ausgezeichnet mit Preisen oder nicht – bin ich frei geworden. Ich kann mich auf das Gelungene konzentrieren in meinem Leben, das Schöne. Gut genug, endlich bin ich es: gut genug für mich selbst und meine Ansprüche, die aus mir ein Einhorn hatten machen wollen, Superwoman, Lara Croft, Angelina Jolie. Welch Erleichterung verschaffende Erkenntnis, die ich hiermit liebend gerne teile und weiterreiche. Vielleicht findest du dich in meinen Zeilen wieder, so wie ich mich in hunderten, tausenden Werken anderer wiedergefunden habe bisher und mich weiterhin in solchen finden werde. Ich wünsche dir diesen Frieden, heilsam und glückspendend. Wir brauchen wirklich niemand anderes, niemand anderer zu sein als wir selbst.

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