234 Futter

234 Futter

München, Februar 2023.

Der Rücken zwickt und schreit nach Yoga – Körper oder Geist, wem räume ich die Priorität ein? Hinter der Stirn das Geräusch trappelnder Pferdehufe im sanften Trab; das Blinken, Winken von Schmetterlingsflügeln vor einer salzhaltigen Wasserpfütze; ein vehementes Jetzt-Grutzi-Neißen-Nochamoi: dann weißt du, der Text, von dem du noch keine Zeile kennst, will hinaus.

Von den Hühnchen habe ich mich verabschiedet, ab morgen werde ich sie nicht drei, vier Mal täglich versorgen. Meine kleine Hedi blieb ganz ruhig im Arm, perlgrau mit weißen Tupfen, der üppige Kamm leuchtend rot, die Beinchen kurz, ein Chabo, ruhig blieb sie, während ich ihren weichen, zarten Rücken an meine Backe drückte und die Federn unmerklich knisterten und ich mich kaum trennen konnte. Der Hund zieht schon seit einer Woche eine Flunsch, obwohl ich erst vorhin den Koffer zusammenpackte und auch sonst noch nichts herausgelegt oder vorbereitet hatte. Süßes Wesen, zärtlich, voller Zuneigung, wie überhaupt die Tiere mir zugewandt sind. Die herausspitzelnden Pflanzen vergaß ich nicht, die vielen Tulpen, Narzissen, Hasenglöckchen, Krokusse, ich streifte durch den Garten, mir alles besehend. Das Adieu wird jedes Mal schwerer. Das Lösen, das Losmachen, Fortkommen, Abwenden, sich Entfernen. Braune Kulleraugen, Stupsnäschen, am liebsten würde ich Montana im Handgepäck durchschmuggeln, Fellwärmflasche, Seelentröster, treue Gefährtin, mein Baby. Ich reise längst nicht mehr aus Entdeckerdurst, aus Vergnügen an einer Fotoausbeute, die Neugier ist mir entschlafen. Es gibt da diese Liste, Versprechungen an sich selbst, die ich hatte abhaken wollen, aber es dämmert langsam: sie ist veraltet, gilt nicht länger. Was nützt das Einhalten irgendwelcher Versprechen an eine Person, die in ihrer ursprünglichen Form gar nicht weiter existiert?

Der Rücken protestiert: hättest du nicht besser Yoga praktizieren können, anstatt einen eher mäßigen Text zu fabrizieren?

Genau darum geht es: um das Geräusch trappelnder Pferdehufe, das blitzende Grüßen der Schmetterlingsflügel, das Fluchen; der Text ist da, will ins Freie. Hier aber, hier daheim, da kann ich ihm momentan nicht helfen. Wie verklebtes Fasziengewebe liegt er zerknüllt, zerknautscht, verhärtet. Die Bewegung braucht er, die Abwechslung, ein Dehnen in ihm neue Positionen; ein bißchen Dünger fürs Gehirn, so nannte Gerald Hüther es, als Neurobiologe wird er eine Ahnung haben von der Materie.

Liebe Hühnchen, lieber Hund, liebe Pflanzen: ich kehre ja recht bald wieder. Und dann werde ich euch erzählen, ob die heißen Erdgase, die rote Glut meine eigene Zorneshitze haben wegbrennen können und ob die Bekanntschaft mit der Ewigkeit (oder das, was einem Menschen als Ewigkeit erscheint) und das Meer und die Hügel und das neue Weltenfleckchen, ob das einen schönen Text hat nähren können.

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