91 Montana
München, Juni 2019.
Sie heißt Montana – beinahe wie spanisch für Berge, was ich als Omen gedeutet hatte -, ähnelt manchmal dem Krümelmonster und teilt mit mir sowohl die unsicheren, tastenden Schritte beim Abstieg (wobei ich Treppenstufen noch ganz gut meistere…), als auch die unbeschreibliche Vorliebe für Salat. Wer kennt denn schon einen Hund, der für Salat sabbert? Montana ist ein dreijähriges, rotbraun-weißes Boston Terrier – Mädel und seit wenigen Wochen (gefühlten Monaten) mein haariger Schatten, der jeden einzelnen meiner (im übrigen gar zahlreichen) Schritte kontrolliert: wo gehst du hin? Nimm mich mit!, was mich panisch geworden veranlaßt hat, zwei Bücher zum Thema Trennungsangst, eine Hundetrainerin in Einzelsitzung sowie die Tierärztin zu konsultieren, immer die für September fix gebuchte Tour im Hinterkopf, während welcher meine Eltern sich um Montana kümmern sollen, ohne dabei einen nervlich-physischen Schaden davonzutragen. Leider fühlt sich Montana nicht nur zu gesunden Lebensmitteln hingezogen („Sag mal, Laura, hast etwa du das halbverweste Vogelküken, das unter dem Flieder lag, verräumt?“) und durfte prompt die Konsequenz ausbaden dafür, in Ko-Leiden meiner Wenigkeit. Ich bin ja diejenige, die ihre gesammelten Kunstgegenstände akkurat in der Wohnung drapiert, dabei um Millimeter spielend, bis es mir endlich gefällt, es perfekt ist, für andere Leute manchmal unheimlich penibel; und die plötzlich mitansehen mußte (und vor allem riechen), wie sich der Durchfall des gerade vor vier Tagen angeschafften Hundes sich seinen Weg suchte über helle Fliesen und raue Fugen (netterweise wurden die antiken, handgeknüpften Teppiche ausgespart), dutzende Male, weil er es nicht mehr halten konnte bis zum Garten. Die ihr Auto von Erbrochenem zu reinigen hatte, ein Schwall, etwa 200 Meter von der Haustür entfernt ergossen, fast daheim also, aber eben nur fast (erstaunlich, wieviele Ritzen, Spalten, Öffnungen ein Ford StreetKa Cabrio aufweist). Ich, die ich die Einsamkeit und Ungestörtheit liebe, suche, brauche, Ordnung, Ruhe, Sauberkeit, ich selbst habe mir einen Hund geholt fast exakt zehn Jahre nach Sofies Tod (ich hätte mir auch einen Ring gravieren oder ein Tattoo stechen lassen können), ein sabberndes, warmes, weiches, schmusiges, freches Krümelmonster, mein Krümelmonster, mit dem sich Winnie, der weiße, hyperintelligente Chihuahuadrache meiner Schwester, erst noch zu arrangieren lernen muß, Montana, mit der ich in die Berge zu gehen gedenke – sobald sie die Grundkommandos Komm! Sitz! und vor allem Bleib! drauf haben wird. Für die Abstiege werden wir uns Zeit lassen und als Proviant ganze Salatköpfe mitnehmen.