3 Unterwasserwelt
Galápagos, Juli 2009.
Die Sonne warf ein heiteres Lichtspiel auf den hellen Sand, ein beiger Grund, über den kleine Kugelfischchen huschten, Seegurken dümpelten, ein Rochen schwebte. Vereinzelt schlängelte sich sacht Vegetation empor, während die sanfte Brandung ihre beruhigende, rhythmische Musik spielte und die von ihr hin- und hergezogenen Muschel- und Korallenstückchen rieselten wie hell klimpernde, tausendfache Glöckchen. In dieser Welt war alles langsam, leise und leicht. Und wie ich mich ebenso gemächlich umdrehte, den Atem anhaltend, erfaßte mich plötzliches Erstaunen: schräg unter mir wogte grazil paddelnd eine riesige Meeresschildkröte, äsend. Ich bewunderte die Zeichnung ihres Panzers, die Form der Flossen und des Kopfes, den Papageien ähnlichen Schnabel und folgte dem Tier vorsichtig, das Gefühl des mich umgebenden Wassers genießend. Nach einer Weile wandte die Schildkröte sich ab vom Boden und stieg ohne jede Hast auf. Ich begleitete sie freitauchend im Abstand von vielleicht dreißig Zentimetern, dabei unablässig in ihre Augen blickend. Schwarz. Unendlich. Und voller Ausdruck, Tiefe, Sinn, nicht starr oder gar leer. Im Dunkel dieser unendlichen Augen ruhte halb verborgen der Schemen einer Pupille, und mit ihm das Wissen und Leben des Meeres, in welchem ich bloß ein flüchtiger Gast war. Als die Schildkröte sich der Oberfläche näherte, verlor sie Luftblasen, glitzernde, wabernde, heiter tanzende Quecksilberkugeln, ausgeatmeter Gruß. Das war wieder ein solcher Moment: Zeitlos. Vibrierend. Glückselig. Alles war eins: Tier, Meer, Mensch. War Lebendig. Ewig. Schön. Bar jedes Zweifels, erhaben über alles Schlechte.
An einer relativ flach abfallenden Bucht lenkte ich meine Aufmerksamkeit während des Schnorchelns auf das begrenzte Feld direkt vor meiner Taucherbrille: So konnte ich sehen, was ich bereits zuvor auf meiner Gesichtshaut zart gespürt hatte; eine einzige Wolke lebender Materie, zuckendes, unterschiedlich großes Plankton, wahrzunehmen ganz ohne Hilfe eines Mikroskopes.
Ich bewegte mich in einen Schwarm Hunderter kleiner rötlicher Fischchen hinein, Jungtiere bestimmt, und die winzigen Leiber umschlossen mich, machten mich zum Mittelpunkt eines Balles aus unbeschreiblich vielen glotzenden Augenpaaren, schwarze Stecknadelköpfe voll der Neugierde, wie mir schien, Neugierde, gemischt mit Argwohn…
Zwischen zwei sich aus dem Meer erhebenden Felsen zog ich meine Bahnen, geblendet und übermannt von den Farben, die dort unterhalb der Wasserlinie dominierten: Blau, Gelb, Rot, und all den Existenzen, die man antraf, beschäftigt, umtriebig, entspannt, emsig arbeitend wie die bunten Putzerfische. Neonleuchtend, fröhlich, dissonant in den Tönen und zugleich in perfektem optischen Einklang gestalteten sich die Korallenlandschaft, deren Bewohner. Weit in der tintengrünen Tiefe erspähte ich einen Schemen, wenngleich verschwommen doch charakteristisch, unverkennbar: ein Riffhai. Ihm folgten andere, und ich zählte eine Gruppe von etwa fünfzehn Exemplaren, die sich da in absoluter Lautlosigkeit spiralförmig nach oben schraubten, einer nach dem anderen, als tanzte ein stummes Karussell.