80, Teil IV: Possierlich
Südamerika, Mai bis Juli 2009.
Das halbzahme Äffchen des Campgrundes fand ich nur so lange niedlich, bis es sich meine SD-Karte schnappte, die ich zum Trocknen auf den primitiven Holztisch gelegt hatte. Ich war unterwegs in einem Fluß ausgerutscht, was die Kompaktkamera paradoxerweise besser überstehen sollte, als meine Füße: erstere blieb tatsächlich funktionstüchtig, während letztere aufgrund der durchweichten Schuhe mit gigantischen Blasen an den Zehen zu kämpfen haben würden; ich sollte das Ziel Machu Picchu zugedröhnt von Paracetamol und Ibuprofen, die ich mir packungsweise von den anderen Salkantay-Trekkern erschnorrte, erreichen. Jedenfalls sah ich machtlos zu, wie sich das possierliche Äffchen die Speicherkarte mit den ungesicherten Fotodateien stibitzte, sich dabei auf den Rücken schmeißend, jede Ecke mit einem Füßchen bzw. Händchen umklammernd und kräftig mit verdammt spitzen Zähnen auf einer noch freien Stelle herumbeißend. Ich war entsetzt. Eine Frau meiner Gruppe, welterfahren, von stoischem Schweizer Gemüt, packte den Affen, drückte ihm die Luft am Bauch ab und schüttelte ihn einige Male grob. Der Erfolg blieb nicht aus, die Speicherkarte fiel in hohem Bogen auf den Boden, von wo ich sie geschwind aufsammelte. Sowohl Flußbad als auch Affenattacke überlebte sie unbeschadet, dies trotz günstiger No-name-Marke, ich war beeindruckt. Und freilich erleichtert, daß meine Bilder gerettet waren.
Mäßiger Wind fegte über die Bergflanken, die hohen Gräser dabei verwirbelnd, als streichle eine unsichtbare Riesenhand ein Fell aus Pflanzen. Nur etwa eine Stunde später, kurz vor der Abenddämmerung, pustete eben dieser Wind losen Schnee vom Gipfel des Salkantay, glitzernder Kristallstaub von ungeheurer Magie. Trotz Kälte (ich war erbärmlich ausgestattet), fehlender Dusche, verdreckter Plumpsklos und schlafloser Nächte (meine Zeltpartnerin, übergewichtige, amerikanische Psychologin mit Neigung zum Drama, schnarchte nicht nur ausgiebig, nein, sie rutschte aufgrund der Hanglage und unserer beider Unerfahrenheit in Sachen Outdoor auch ständig auf mich ´drauf), fand ich allmählich Gefallen am Trekken. Eine neue, andere Facette meines Selbst war geboren: Hallo Abenteuer in der Natur, hier bin ich, es kann losgehen und bitte nie wieder aufhören…