71, Teil IV: Verlobung auf Omanisch

71, Teil IV: Verlobung auf Omanisch

Oman, Februar 2011.

“Wo fährt er denn hin?” Patrick, der Tiroler Guide, runzelte die Stirn.

Die drei Jeeps hielten sich stets an die gleiche Reihenfolge, Younis als Ortskundiger an der Spitze, Mahmood in der Mitte und Patrick zum Schluß.

Für eine halbe Stunde hatten wir die heißen Quellen in Rustaq genossen, die Füße gebadet in dem schmalen rechteckigen Becken, während die Schwalben Nistmaterial in die Löcher der Lehmwände einer Ruine geschafft hatten.

“Das gefällt mir nicht – unser Zeitplan!” Patrick stöhnte. “O nein, das ist sein Haus. Ich fürchte – wir werden eingeladen!”

“Wie, alle denn?” fragte Maureen verblüfft.

“Omanische Gastfreundschaft!”

Die Schuhe blieben draußen. Die geschnitzte, hölzerne Tür war mit Messingornament beschlagen, der Raum, eine Art Entree oder Empfangsraum, mit Teppichen und geflochtenen Matten ausgelegt. An den Mauern lehnten üppige Kissen, auf denen es sich bequem ruhen ließ.

Wir versuchten bestmöglich, die Fußsohlen zu verbergen, ein Gebot der Höflichkeit, während Younis und Mahmood die Gruppe bewirteten. Sie servierten mit Kardamom gewürzten Kaffee in winzigen Silberschälchen, reichten eine klebrige, aromatische Dattelpaste, die man mit den Fingern (der rechten, reinen Hand) verzehrte, und kredenzten als Höhepunkt große Gläser voll gekühlten Rosenwassers: ein kräftig-pinkes, sirupartiges Getränk, das außer nach Rosenblüten vor allem eines schmeckte: ungeheuer süß. Als der Kaffee zum dritten Mal ausgeschenkt war, führte Younis seine Mutter und eine der Schwestern herein; die Schwester sei zu noch zu haben, ob sie jemand begehre? Wir lachten alle über den Scherz, der kein rechter war. Die Mutter trug leuchtend-türkises Gewand, das an den Ärmeln mit bunten Plastikperlchen und Pailletten bestickt war. Der Sohn redete leise auf sie ein, woraufhin sie mehrfach nickte, die Runde musternd. Man mußte weiter, man bedankte sich herzlich. Da steuerte Younis auf mich zu, faßte mich am Handgelenk und positionierte mich direkt vor der thronenden, reichlich beleibten Frau. Ich wurde ihr vorgestellt. Ich gab mich apart, lächelte artig, ließ gedolmetschte Fragen über mich ergehen.

Als ich aus dem Haus trat, schlug mir allgemeine Heiterkeit entgegen. “Na, Frau Laura Younis! Wie geht´s?” rief einer keck, die arabische Weise, verheiratete Frauen anzusprechen, verwendend. Das Lachen blieb mir im Halse stecken.

Ein Mittelweg zwischen deutscher Kompliziertheit und islamischer Einfachheit in Sachen Beziehungsfindung sei mir genehmer, meinte ich endlich schwach.

 

Der Dämmer lag fahlblau über den Dünen, die Luft war verwaschen: ein Sandsturm trübte sie, der Wind wurde sichtbar als bewegte Atmosphäre. Über diese Dünen nun polterte der Land Cruiser und an ihnen hinunter, pflügte durch den formbaren, sinkenden Grund, wirbelte ihn auf. Die Reifen drehten häufig durch, eine trockene Fontäne verspritzend, der Wagen kippte in bedrohliche Schiefe, Mahmood riß am Lenker.

Es kitzelte mir im Bauch, und pures, kindliches, albernes Vergnügen stieg auf in mir, Vergnügen auch über das sichtliche Unbehagen Hennings hinter mir, den ich um Begleitung gebeten hatte: Younis reichte mir, ich war vorsichtiger geworden. Derselbe nun, thronend neben Henning auf der Rückbank, schnalzte Anweisungen auf Arabisch, Herrscher und Diva, die er war, Pascha, und Mahmood gehorchte folgsam, das Lenkrad dirigierend, schaltend, Gas gebend, bremsend.

Henning sollte über Mahmood wachen. Younis über Henning. Ich lachte laut auf. “What´s up?” fragten Mahmood und Younis zugleich. Ich aber lachte nur weiter.

Die Sonne am nächsten Morgen stieg, vertrieb das Blau, kräftigte sich, Weißgelb zu Orange zu Tag, ich schaute ihr beim Wachsen zu. Die zahllosen Dünenkämme warfen plötzlich Schatten, Grate formend und Texturen, die Wüste erhielt allmählich ihr Gesicht, schälte sich aus ihrem nächtlichen Gewand. Ich betrachtete das Aufblühen des verheißungsvollen Tages sinn- und sorgenfrei, fühlte mich in meiner Stimmung irgendwie Naturvölkern nah, vielleicht der Verbundenheit mit allen Dingen wegen, die ich mit einem Mal verspürte und die ich genoss, obschon ich sie nicht zu erklären vermochte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert