6 Warum die neue Spiegelreflex sechzehn Monate im Schrank blieb
Marokko, Juni 2013.
Als ich den Body der Nikon D7000 und das dazu erworbene 18-200er Objektiv gleicher Marke auspackte, schlug mir das Herz bis zum Hals. Neben mir auf dem weiß bezogenen Bett lagen die entsprechenden Bedienungsanleitungen, deren Weisungen ich mit zittrigen Händen nachkam. Die Kamera wog schwer, wie ich sie vor meinem Gesicht positionierte, gute zwei Kilo, und das Auslösen erfolgte mit einem satten, wohltönenden Klick, das mich überraschte und zugleich begeisterte. Was ich fotografiert hatte? Den treuen, damals neun Jahre alten Reisewecker auf einem Bücherstapel, aufgenommen in einem sauberen aber unerträglich heißen Hotelzimmer Marrakeschs. Ich hatte es getan, ich hatte die Spiegelreflex tatsächlich eingeweiht! Die nächsten Aufnahmen würden ein regelrechtes Shooting des Jardin Majorelle werden, des berühmten Gartens der roten Stadt, welcher sich seinerseits durch Kakteen, Palmen, Bougainvillen und leuchtend azurblaue Architekturen neben zitronengelben Zierkrugkeramiken auszeichnete, eine gebührende Farben- und Formenpracht, die den Vorteil barg, nicht weglaufen zu können (ein fantastisches Anfängermotiv also). Freilich ist es stets etwas besonderes, eine neue, 1800 Euro teure Kamera, die allgemein gute Kritiken erhalten hat, einzuweihen, zumal wenn das verwendete Vorgängermodell ein winziger, greiser Kompaktapparat gewesen ist.
Dieser mein Fall war noch etwas anders gelagert. In matt goldenen Kartons hatte die Nikon D7000 samt Objektiv seit Kauf – volle sechzehn Monate lang! – unangetastet in einem Schrank geruht, weil ich nicht den Mut aufbringen konnte, die edle Verpackung zu öffnen. Nun da ich sie besaß, hatte die Spiegelreflex mir Angst eingeflößt: jetzt gab es keine Ausreden mehr, sollten die Bilder mißlingen, jetzt war es einzig dem Fotografen geschuldet, wenn die Motive sich nicht in Papier- bzw. Pixelkunstwerke oder wenigstens ordentliche Schnappschüsse verwandelten… Verantwortung. Risiko.
Ich fand immer neue Ausreden, mit denen sich eine Verwendung der Spiegelreflex aufschieben ließen, etwa auf einer Reise zur Walbeobachtung auf die Azoreninsel Pico, bei welcher wie zur Bestätigung meiner Räson ein Sachschaden von insgesamt knapp fünfzehn Tausend Euro entstanden war, als während der Ausfahrt eine der hohen Wellen ins motorisierte Schlauchboot schwappte, drei noble Kameras ertränkte und die Stimmung der Pottwalfoto-Jäger gleich mit.