267 Auf einer Feier

267 Auf einer Feier

München, Februar 2024.

 

Ich ziehe mich unauffällig aus den umliegenden Gesprächen zurück, das kleine Intervall nutzend, dankbaren Gedanken nachzuhängen. Es klimpert leise das Besteck, in den dezent geschliffenen Gläsern funkelt bernsteinern der Sherry oder perlt Mineralwasser. Das Tischtuch ist in hellem Damast gewoben, kaum sichtbar das moderne Muster. Gelegentlich brandet Gelächter auf, ich schaue in heitere, unbeschwerte Gesichter. Wir lassen uns den gratinierten Fenchel an Paprikarahm munden, den fangfrischen Fisch in provencealischer Salzkruste, den kalten, geschnittenen Kalbsbraten zu Kräuter-Weißwein-Risotto und geschmorten Pilzen. Später wird es reife Pfirsiche auf Lavendelsirup und Zitronenmascarpone geben, Kaffee und schottischen Heide-Whisky, wer mag. Am Klavier spielt jemand schlichte, aparte Melodien, begleitet von einer Dame an der Geige, eine schöne Untermalung der festlich-gelösten Stimmung. Die Leute haben sich angemessen fein gemacht, manche sich für einen gar extravaganten Stil entschieden, andere für schlichtere Garderobe, aber gut gekleidet sind sie durchweg, ein Miteinander zu zelebrieren.

Von meinem Partner habe ich morgens schon die Geschenke erhalten, geschmackvolle Feinfühligkeiten: ein kleines Holzschnittblatt, das Motiv ein Spatz im Kirschblütenzweig, das Kerlchen ein einziger Schabernack mit frech glitzerndem Schalk in den Augen. Und einen porzellanenen Kerzenhalter, die Machart althergebracht, das Design zeitgemäß, in der Form eines mit wächsernen Schmelzschlieren versehenen Stumpens. Später im Jahr werden wir ein Fado Konzert besuchen, in schwermütigen portugiesischen Sangesgaben versinken und die Ästhetik der bittersüßen Schwere starker, ausgebildeter Stimmen genießen. Ich habe ihn geschimpft, daß es zu viel der Präsente seien, aber ich weiß, es waren Herzensgesten, keine lästigen Pflichten, Dinge, die ihm selbst etwas bedeuten.

Ich freue mich über das stilvolle Ambiente, gewiß, freue mich aber deutlich arger über die zahlreichen Gäste, die der Einladung gerne gefolgt sind und über deren Erscheinen ich außerordentlich froh bin jetzt gerade, wie ich sie mir müßig betrachte. Es ist ein Kaleidoskop unterschiedlichster Charaktere, mit denen ich oft nur ein einziges Interesse teile, aber genau dieses genügt, sich regelmäßig zu treffen.

Da sind ein paar von dem monatlichen Lyrikclub, wo sonntags bei ausgedehntem Sektfrühstück einzelne Gedichte vorgetragen und besprochen werden und man schon die herrlichsten Schätze aufgedeckt bekommen hat, auf die man sonst nicht gestoßen wäre. Und dort die Gärtnerfreunde, jeder mit eigenem Lieblingsfeld, der eine sammelt seltene Obstbäume wie Reneclauden, der andere tauscht mit mir Dahlienknollen, ein anderer ist vernarrt in Farne; dieser kultiviert Gemüseraritäten, etwa lila Grünkohl, und jene betreibt Permakultur. Ich wiederum taste mich an die Carnivoren heran, als Neuling noch auf fachkundigen Ratschlag angewiesen, welcher mir großmütig zuteil wird. Meine Fahrradmädels sitzen am anderen Ende der Tafel, gerade wieder über eine amüsante Anekdote prustend, sich die Bäuche haltend, Schluckauf bekommend und in tränenreiche Schnappatmung geratend. Ich muß sie hernach mal fragen, was den Heiterkeitsanfall ausgelöst hat, falls sie sich dann noch daran erinnern. Woanders ist die Boston Terrier Gruppe platziert, fünf drollig-verrückte, herzerwärmende Hundchen samt Besitzerfamilien. Die Fraktion der Hühnerfans hat mich mit zwei Jersey Giant Küken überrascht, die schon jetzt größer sind als meine ausgewachsenen Zwerghuhnvarianten… Die Kreuzstichdame hat sich zum Autonarren gesellt, die eine motiviert mich, meine 2010 begonnene Mammutarbeit wieder aufzunehmen, der andere mietet sich ab und zu einen Tag lang ein besonderes Auto mit mir zusammen, den wir durch die Gegend düsend verbringen, an abwechslungsreichen Orten haltend; als nächstes möchten wir mit einem Renault Alpine zu mehreren Bergseen aufbrechen. Die Art House Kino Fans palavern mit der Slow Food Kochtruppe und den beiden leidenschaftlichen Kunstsammlern, das wäre eine gute Kombination künftig… Vielleicht ergibt sich etwas in diese Richtung, abwarten! Familie ist natürlich auch da, eine kleine aber zusammenhaltende Familie, wie es sich eben gehört.

Auf den Tischen stehen zarte Gestecke aus intensiv duftenden Lilien, garniert mit Kängurublume und Palmkätzchen, ungewöhnlich in der Zusammenstellung, ich muß mich unbedingt bedanken bei den Eltern dafür, die Deko ist das Tüpfelchen, das die Feier perfekt macht.

Ich bin gesegnet mit einer Fülle verschiedener Menschen, mit denen ich diskutieren, mich austauschen kann, gemeinsam lachen, gemeinsam schimpfen, einträchtig schweigen; wandern, radeln, tätig sein. Wir sind ein Gewebe, an manchen Stellen reißfest wie Schiffstaue, an anderen eher lose-seiden verflochten, ein Gewebe, heterogen und stark. Wir haben uns gegenseitig. Wir sind einander eine Freude, ein Glück, eine stille Zufriedenheit, und dabei ganz selbstverständlich, unaufgeregt. Ein Freundeskreis.

 

Auch der diese Geburtstag wird nicht verlaufen, wie ich es mir ersehne. Wünsche, erträume. Mindestens dreihundert Tage eines Jahres (eher deutlich mehr) verbringe ich in der Gesellschaft meiner selbst (Hund und Hühner ausgeschlossen). Ich sehe niemanden, spreche niemanden. Ziehe Inspiration von meist verstorbenen Autoren, Künstlern, Filmemachern, in jedem Fall aber Personen, die nichts von meiner Existenz wissen. Lilien kriegt man im Umkreis von dreißig Kilometern lediglich, wenn Aldi sie zufällig im Angebot hat. Die Gaststätten servieren für Vegetarier Kasspatzn, Pommes oder Spaghetti an Tomatensoße (ein Fertigprodukt). Sherry funkelt zuweilem im Glas – es stößt nicht klirrend an. Heitere, unbeschwerte Gesichter machen sich rar. Und wer sich freut über mich, das ist Montana, wenn ich von alltäglichen Erledigungen heimkehre. Man sagt, ich wolle zu viel. Sei undankbar, ungerecht, überkanditelt und mein Umfeld mir nicht gut genug.

Ich hoffe, daß Aldi recht bald wieder Lilien ins saisonale Sortiment bekommt. Lilien mit mikrokleinen, glitzernden Parzellen auf den seidigen Blütenblättern, mit schweren, rotorangen Staubfäden und einem betörenden, laut schallenden, fast benebelnden, alles durchdringenden Duft, der die gesamte Wohnung parfümiert und beständig Gedichte in die Luft raunt, eine Woche lang oder mehr.

 

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