225 Wir
München, Januar 2023.
Früher dachten die Leute, unsere Erde sei eine Scheibe, erschaffen binnen einer Woche vor wenigen tausend Jahren von etwas, das sich Gott nennt. Galileo und Darwin revidierten das Allgemeinverständnis, brachten die Kugel ins Spiel und Zeiträume von unvorstellbaren Milliarden Jahren, es gab etwas wie Renaissance, Aufklärung, Wissenschaftlichkeit. Und schließlich kommen da Gates, Jobs und Musk und unsere Welt ist binnen weniger Dekaden zum Quadrat retardiert, wieder flach und so naturfern und falsch konzipiert wie nur möglich. Man blickt verächtlich auf das finstere Mittelalter, ist so stolz auf sein Wissen, seine Technik. Ist nicht die Scheibe ein realistischeres Bild von unserem Leben und unserer Wirklichkeit als etwas Eckiges? Und welches Wissen haben wir heute? Unsere Pfaffen und Kaiser heißen Social Media und Smartphone. Vielfalt ist wichtig: Diversität, alle Hautfarben sollen gleich sein und alle Geschlechter und von den Geschlechtern gibt es mittlerweile fünf oder noch mehr, und alle Lebensweisen sind toll und wichtig und wertvoll – wer aber gegen das Quadrat spricht, der ist rechts radikal, der ist unrecht, schädlich, böse, asozial. Wer Argumente bringt und Anregungen, auf Widersprüche hinweist, wer nicht konform geht mit dem Gemurmel der Nachrichtensprecher aus Fernsehen, Radio, Internet, der vergiftet quasi die Brunnen, so wie man es im Mittelalter behauptet hat von den Juden, deren Verbrechen schuld gewesen seien an der Pest.
Im Oktober 2022 gab es eine Übersterblichkeit unter den deutschen Rentnern von beinahe 20%. Das heißt: es starben in diesem Monat etwa zwanzig Prozent mehr Menschen im Rentenalter als die durchschnittlichen Oktobermonate der Jahre zuvor. Wenn 2020 oder 2021 in irgendeiner Altersgruppe 20 Prozent mehr Menschen an „Corona“ gestorben wären, hätte es eine Massenpanik gegeben, eine Massenhysterie, einen Aufschrei des Entsetzens, der Empörung, Wut. Für 2022 haben wir die faktische Zahl: 20 Prozent mehr Alte weg – und es interessiert keinen; und wenn es interessiert, dann heißt es: wir kennen die Ursache nicht, da kann man nichts machen. Das Problem an dieser Herangehensweise: es ist bloß der Anfang.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der grundsätzlich die anderen „verkehrt“ sind (außer natürlich die Hautfarben und Geschlechter), in der immer die anderen „dumm“ sind, „unhöflich“, „egoistisch“ und die „Schuld haben“. Wir leben in einer Gesellschaft, die sich auf Asphalt festklebt, wenn sie etwas bewegen möchte. Wir leben im Zeitalter des akzeptierten Paradoxes. Widersprüche egal welchen Inhaltes werden zur geteilten Norm. Wie man da sich einer Wahrheit annähern soll und zu einer Lösung für Konflikte und Schwierigkeiten und komplexe Sachverhalte gelangen, ich weiß es nicht. Wenn wir uns weiterhin beharrlich weigern, offen zu bleiben bzw. wieder zu werden, offen für einen konstruktiven Umgang, für eine Lebensart des positiven Schaffens, wenn wir nicht aufhören, ausschließlich anderen Verantwortung zuzumünzen (den Russen, den Chinesen, den Reichen, den Ignoranten etc.), wenn wir weiterhin den Mund aufreißen, ohne selbst tatsächlich zu handeln (und zwar keine dieser ewigen Pseudo-Ersatzhandlungen, die bloß Geld, Zeit, Kraft und Ressourcen verschleudern, ohne irgendetwas voranzubringen), wenn wir jetzt nicht ganz bald die Kurve kriegen in allen möglichen Ebenen und Bereichen, werden die Krisenherde im Land wie international sich zuspitzen und zu etwas führen, das wir bereits zwei Mal hatten in der Weltgeschichte und auf das wir alle – wirklich alle, abgesehen von Pharma, Rüstung und Nutznießern einer dann wieder frisch benötigten Infrastruktur – gut verzichten könnten.
Erklären wir das Quadrat zurück zur Kugel, sehen, hören, schmecken, fühlen wir dreidimensional und analog. Besinnen wir uns auf menschliche Werte ohne Blabla und Belehrung, Maßregelung, Zurechtweisung, Diffamierung, Denunziation, Aggression, Hochnäsigkeit, Haarspalterei. Tragen wir alle etwas bei. Fangen wir damit an, uns im Spiegel in die Augen zu sehen und die Wahrheit zu sagen, uns selbst gegenüber die Wahrheit anzuerkennen, um aus Schwäche Stärke zu machen und daraus Glück und Frieden.