21, Teil VI: Was ich nicht will
Sri Lanka, November 2015.
Draußen auf der Horizontlinie kreuzten aufgeschnürt wie unregelmäßige Perlen die eigentümlichen, urig anmutenden Boote mit aufgeblähtem Segel und dem Schlagbaum. Als wir nach der Mangroventour an ihnen vorüberschipperten mit unserem Motorboot, da glaubte ich mich zurückversetzt in vergangene Jahrhunderte, fühlte ich eine Kraft, allgemeine Wahrheit, etwas essentiell Menschliches, Universelles. Ich hielt die Segel der naturbraunen Farbe wegen für großflächige Tierhautflicken. Ganz kurz war es da, das Staunen, auch als wir über das Meer düsten, am Himmel anthrazitfarbene Wolkentürme, die entgegen Annahme nicht platzten. Die Mangroven faßten den alten holländischen Zimtkanal ein, rahmten ihn mit Ananaspflanzen, Palmen, Winden, Bäumen und freilich Mangroven, die sich im matten Wasser spiegelten, welches die Farbe von starkem Milchkaffee trug und aus dem selten kleine, schmale, silbrige Fischchen sprangen. Etliche Eisvögel funkelten und schillerten im Geäst, Bienenfresser schwebten an uns vorbei, sichelförmige Topazgranate. Ein größerer, gelbschwarzer Vogel beehrte uns mit seinem Gesang, für den wir eigens den Motor ausstellten. Ein paar Bindenwarane zeigten sich, hübsche, große Echsen.
Ein Café als Zuflucht, weg von der sengenden Asphaltglut, den hupenden und Taxidienste anbietenden Tuk-Tuks, den Hallo- und – Where are you from rufenden Männern, den bestenfalls stummen aber bohrend-neugierigen Blicken. Krähengekrächze und ferne Meeresbrandung umgaben mich gemeinsam mit Früchte tragenden Palmen. Das Meer hatte tatsächlich eine bläuliche Farbe, nicht dieses schmutzige, schäumende Braun der letzten Tage. Seelenverwandlungen, inneres Erbeben erfolgten nicht in Sri Lanka, keine spirituellen Erfahrungen. Aber vielleicht ging es gerade darum, war es das, was man mich lehren wollte: Geduld, Ausharren, ganz extrem spüren, was man nicht wollte: Im Bus herumgekarrt werden, mit Essen beschäftigt, zum Fotostop gedrängt. Die Bettwanzen und Blutegel als erzählerische Anekdötchen. Ich hatte ja durchaus viel gesehen, nur eben nicht ehrfurchtsvoll oder freudig mit dem Herzen.