196 Vorweihnachtszeit
Augsburg, November 2021.
Der See mit seinen Uferweiden war ins Dunkle gerutscht; nun gab es nur noch das heitere Stimmengewirr und das glimmende, tänzelnde Orange einer Feuerschale; gelegentlich knackten die Scheite darin, stieben Funken auf. Nicht pappsüß schmeckte der Glühwein, sondern würzig-fruchtig. In keramische, rosa Miniatur-Maßkrüge wurde er geschenkt, I mog di stand auf der einen Seite, und auf der anderen: I mog di ned, i mog Prosecco! Da mußten wir beiden Ledigen lachen, sie unfreiwillig Single, ich mittlerweile aus Überzeugung. 30 Jahre waren wir befreundet, und ich glaube, wir sind noch nicht bei der Hälfte angelangt. Nichts hatte uns entzweien können bisher, keine unterschiedlichen Ausbildungswege, Lebensführungen, Interessen und auch kein Corona nicht, welch ein Wunder. Pech und Schwefel sind wir. Zwei Grad Celsius herrschten, knapp über dem Gefrierpunkt; wir saßen in Strandstühlen (Holzgestell, Stoffbahn) auf einem Grund aus Holzschnipseln statt Sand, die Weihnachtsdekoration funkelte sacht im Lichtschein, rot glitzernde Kugeln, grüne Zweige. Leute kamen und gingen, Alte, Jugendliche, Familien mit Babys und Schulkindern. Den Hund hatte ich auf den Schoß gebettet, tief in eine Decke gehüllt, meine kleine Fellwärmflasche. Musik aus Lautsprechern unterhielt uns, Schlager, Rocksongs, Partybeats, nicht zu laut und trotzdem: Lebensfreude, Geselligkeit. Kein Platz für Angst, nur Platz fürs Wesentliche: Miteinander. Diese kurze Zeit dort, neunzig Minuten vielleicht, meine Freundin mußte noch zur Arbeit, Spätdienst im Krankenhaus, machte mir den Tag zu einem der schönsten des gesamten Jahres und den Kioskbetreiber mit starkem Akzent zum Wohltäter.