157 Ein paar Worte

157 Ein paar Worte

München, Januar 2021.

Die kinderfröhlich verzierten Kieselsteine, die im gesamten Wald ausgelegt waren – auf Stümpfen, im Farnnest, in rissige Rinde gestopft -, sind abgelöst von großen, folierten Sternen in Sonnengelb, welche Worte tragen wie Dankbarkeit, Hoffnung, Zufriedenheit; von Gesträuchzweigen baumeln sie herab, fremder Gruß, zeitverschobene Kommunikation, zwischenmenschliche Geste. Nach dem vierzigminütigen Schneeschippen – das Eckgrundstück ist eingefaßt von einem langgestreckten Bürgersteig – und dem Plausch mit etwa zwei dutzend vorbeiziehenden Hundebesitzern und Schlittenfahrerknirpsen (der vom gesamten Ort frequentierte Rodelberg befindet sich in Sichtweite des Hauses), machte mir ein Blick in den Spiegel klar, daß Ökoschminke nichts taugt, wenn es winterlich vom Himmel rieselt, die Pandabärenringe in Dunkelbraun zogen sich perfekt kreisrund vom Wangenansatz hoch zu den Augenbrauen – die Sache mit der Eleganz werde ich genausowenig lernen wie das Heldentum oder die aktuell gültigen Regeln des sozialen Miteinanders…

Eine unterhaltsame Zusammenfassung tier- bzw. naturfilmerischer Anekdoten lief im Fernsehen, außergewöhnliche Erlebnisse, ermöglicht durch Anstrengung, Wagemut, Geduld, Zähigkeit, Einsatz, Tatendrang, Charakter: speiende Vulkane, rutschende Erdmassen, streunende Hochgebirgstiger, neonblau leuchtende “Glühwürmchen”massen, engster, unmittelbarer Kontakt zu und mit Wildtieren. Und ich dachte mir: diese Leute müßten erzählen, ausführlich, en detail, das Sprachrohr ein Blog, ordentlich betextete Bildbände, programmfüllende Radiobeiträge, und ich wunderte mich wie so oft darüber, in welch wenige Worte sie ihre absolut besonderen Erfahrungen kleiden, wie verknappt sie Emotionen schildern, ja, ich fragte mich: wollen sie nicht oder können sie nicht? Und dabei hätten sie ja die Aufmerksamkeit verdient, wären sie es wirklich wert, gelesen zu werden, rezipiert, wahrgenommen, nicht dieser ewige journalistische online – Dauerschrott (vgl. Beitrag 143) oder meine eigenen in Relation dazu banalen Geschichten.

Ich sagte ihm damals, er solle ein Buch schreiben, und er erwiderte voller Gewißheit, er werde es tun. Beinahe neun Jahre später ist noch immer keines auf dem Markt erschienen. Von all den ungezählten Liedern, die ich bisher gehört und auf dich umgemünzt habe, paßt keines derart perfekt wie eines aus der Feder Cat Stevens´(doch, ich konsumiere auch noch andere Interpreten jeglicher Richtungen und Nationen, obwohl hier in meinen Zeilen gehäuft Cat Stevens Erwähnung findet, dessen Lyrics derart klar und prägnant sind, daß sie sofort andocken und wirken, die Seele in Schwingung versetzen):

 

Trouble, oh trouble

set me free

I have seen Your face

and it is too much

too much for me

I don´t want no more of You

so won´t You be kind to me

just let me go where

I have to go there

….

Trouble, oh trouble

move from me

 Würdest du gehen…, bitte…?

Natürlich liegt es nicht bei dir, ich bange aufrichtig, besessen zu sein. Ich hatte jahrelang für das Apnoetauchen, für Meeresbiologie, für Naturfilmerei geschwärmt, und plötzlich stand da einer vor mir, der all das in seiner Person vereinte, ähnlich alt, ein Mann. Jemand, der das Leben führte, welches ich für mich selbst erträumte, Spannung, Kameradschaft, Könnerschaft, Naturbegegnung inklusive. There´s nothing You left to me. Soll ich dir den wahren Grund nennen, warum ich einen Fremden nicht loslassen kann? Ohne es zu wollen, ohne es zu bemerken, hat er – der Fremde – das Tor aufgestoßen zu meinem Schreiben, zum wahren Kern, zur Essenz dessen, was an Kreativität in mir wohnt, und ich bin süchtig danach, nach diesem Gefühl, das dem Schreiben vorausgeht, es begleitet, eine Versenkung, eine Empfindung völliger Freiheit, Gelöstheit, Kongruenz, eine Empfindung, in der kein Platz ist für Zweifel, Selbstschelte, Unsicherheit: weil sie ungefiltert, rein, puristisch ist. Ich bin kein Stalker, hörst du, bin bloß eine Träumerin, ein Fantom, eine, die halt schreibt, irgendwie. Was würdest du mittlerweile zu meinen Fotografien sagen, sie noch immer für langweilig erachten, dilettantisch, nichts damit anfangen können? Es ist in Ordnung so.

Trouble, oh trouble

please be kind

I don´t want no fight

and I havn´t got a lot of time

 

So, genug gesponnen, jetzt wird gelebt.

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