29, Teil II: Klarstellung
München, Oktober 2018.
So, dann wäre jetzt vielleicht der rechte Zeitpunkt gekommen, Ängste zu überwinden und Dinge durchzustehen, indem man sie geraderückt. Lieber Blog-Leser, als ich dieses Projekt startete, eine Homepage, die eine Auswahl meiner Fotografien und Texte zeigt, hätte ich nicht damit gerechnet, daß es dich geben würde. Seit 2012, meiner Azorentour, wollte ich fotografisch arbeiten, schmiede seit 2014 konkrete Pläne dafür, ohne sie ordentlich in die Gänge gekriegt zu haben vor lauter Zaudern und Furcht vor nagender Ungewißheit. Mir war klar, ich konnte nicht werden wie meine Vorbilder und Helden, die ich vergötterte, anbetete, bewunderte, Menschen wie Hans und Lotte Hass, forschende Biologen; Audrey Mestre, rekordebrechende Apnoetaucherin; Bence Maté, Ulla Lohmann, Steve McCurry, wundervolle Fotografen; Vivian Meyer, Cecil Beaton, Oscar Wilde, vielseitige Exzentriker; nur um ein paar ganz wenige strahlende Figuren aus meiner großen Schatzkiste aufzuzählen.
Ich hatte einige Hoffnung in eine Bali-Reise gelegt, während der ich endlich meinen Tauchschein zu machen und mein Leben umzukrempeln gedachte; diese Tour war im Vorfeld hoch emotional besetzt gewesen, sodaß der korgelnde Mount Agung nicht nur den Inselfrieden erschütterte, sondern mein gesamtes Wesen (vgl. u.a. Eintrag 2). Für gewöhnlich pflege ich mich beim Sport auszuagieren, aber ein Bandscheibenvorfall zwang mich zu einer ausgiebigen Bewegungspause, die indiskutabel blieb (Halleluja, nun weiß ich, was man Schmerzen nennt!!). Meine Laune färbte sich wochen-, monatelang schwärzer als alle Obsidian-, Gagat-, Bakelitnuancen zusammen, die Natur draußen hielt Winterruhe (vermochte mich also nicht mit Wohlgerüchen, lauen Winden, Farben aufzumuntern) und mein 33. Geburtstag lag nicht mehr in allzu weiter Ferne, jener Geburtstag, der der letzte meiner Schwester gewesen sein sollte neun Jahre zuvor. Ich setzte mich an den PC, wo ich ein Manuskript erstellte, ein Zwischending aus Biographie, Reiseschilderung, Seelenbalsam, ein langer Text, der aus Einzelteilen bestand, die ineinandergriffen, aufbauten aufeinander und eine sinnvolle, logische Einheit ergaben trotz aller örtlicher und zeitlicher Sprünge, endend im Februar 2018. Dieser Text (zusammen mit der rußdunklen Stimmung) war der Motor dafür gewesen, die Homepage tatsächlich zu realisieren. Werner Siefer stellt in seinem Sachbuch „Der Erzählinstinkt“ die These auf, Identität würde das Individuum (oder auch eine Gesellschaft) aus dem erschaffen, was es berichte von sich bzw. was es weglasse und durch die Art und Weise, wie es über seine Gedanken, Erlebnisse, Erinnerungen, Gefühle spreche. Ich wollte nie ein Angeber sein oder zu viel in Erklärungsnot geraten; ich wollte nie jemandem weh tun oder arglistig belügen. Es gibt trotzdem keinen einzigen Menschen in meinem Umfeld, zu dem ich hundertprozentig ehrlich gewesen war die letzten Jahre. Es überrascht mich, daß mein Blog gelesen wird, ich hätte nie damit gerechnet. Mitreisende, die auf Touren davon erfahren, schauen ihn sich an. Bekannte, Freunde geben Feedback. Man nennt meine Sprache „bildgewaltig“, die Schreibweise „intim“, lobt mich dafür, und ich stehe mit dem Rücken zur Wand, weil sich der Text, der Blog dadurch plötzlich verändert. Seit Februar 2018 sind einige weitere neue und wichtige Erfahrungen hinzugekommen, die gesamte Schaffensbasis hat sich gewandelt seit Manuskripterstellung und Onlinegang des Blogs. Ich möchte meinem Erzählinstinkt folgen und eine wahre Identität zeigen dürfen. Seit Ende meines Studiums bis heute habe ich mehr als dreißig Touren in mindestens sechsundzwanzig Länder unternommen; ich „sammle“ keine Länder, Prestige wie Protz sind mir fremd. Ich wollte einfach diese Sätze nicht mehr hören: „Fährst du schon wieder in den Urlaub? Wie machst du das? Woher nimmst du das Geld? Und die Zeit?“ Frei Schnauze: das geht euch nichts an. Aber daß ich nicht ehrlich war zu euch, das reut mich schon sehr, es tut mir leid. Reisen bedeutet mir Freiheit, Abenteuer, Menschlicheit, Natur, Kultur, Konfrontation mit Grenzen, Armut, Andersartigkeit, Zerstörung, Leid, bedeutet mir Fotografieren, Schreiben, Trauerbewältigung, sportliche Bewegung, das Kennenlernen von Persönlichkeiten, und immer wieder: Freiheit. Ich ändere also mein ursprüngliches Manuskript aus dem Jahr 2017, freue mich über eure Resonanz und habe den Mut, weiterhin authentische Texte in den Blog einzupflegen, nun jedoch nach einem anderen Konzept als ursprünglich geplant, sodaß es einen Richtungswechsel (ggf. auch einen Bruch) im Gesamtgefüge des Blogs gibt. Danke für euer Verständnis. Ich hoffe, ihr bleibt weiterhin neugierig!