156, Teil VI: Eigentlich gar nichts besonderes
Azoren, Juni 2012.
Tintenblau, blechern anthrazit wölbte sich die Nacht über uns. Es wirbelte das Meer ganz in der Nähe, ein Begleitorchester für das fulminante Konzert, in dessen Mitte wir uns begeben hatten: eine Tölpelkolonie – oder waren es Sturmtaucher gewesen? – stob durcheinander, auffliegend, sich niederlassend, vage Geschäftigkeit im raren Licht eines schemenhaften Universums. Mia plapperte etwas über Rock am Ring, Rock im Park, es war offensichtlich, daß sie versuchte, Punkte zu sammeln beim Guide, Eindruck zu schinden. Ich weiß nicht, wer je nächtens im Zentrum einer Seevogelgemeinschaft verweilen durfte, das Flattern der Flügel hundert-, tausendfach vernehmend, die Rufe aus ungezählten Schnäbeln, ein Micky-Maus-Comic-Geschrei, unbeschreiblich, uauauaahhhhhhhh!!, Geschichten erzählend in einer fremden und doch so vertrauten Sprache, Streite austragend, Botschaften überbringend, uauauaaahhhh!!, mich interessierte Rock sonstwo einen Dreck, ich wollte einfach nur dort sein, Teil der Natur, Gast der Federwesen, Diplomaten der Meere, Neptun-Hermes-Geschöpfe, und ich war allein, allein unter den anderen jungen Leuten, wissend, daß der Guide seine Seele nicht einer Frau wie mir verschenken würde, und ich stieg auf mit den purzelnden, quäkenden Vogellauten, hinauf zu den bleichen Sternen, die besprenkelt waren mit dem Salz der Meere, und ich schwor, ich würde zurückkehren, irgendwann, zurück nach Pico, um ihr wieder zu lauschen, jener Vogelkolonie.
Stille Wasser sind tief, sagte er einmal halb an mich gewandt.
Junge, das war der Mariannengraben. Spezial-U-Boot verpaßt, sorry!
Shakespaere, so ist das, universell-aktuell, große Literatur. Pico, die Azoren? Im Grunde nichts besonderes. Bloß der Wendepunkt in meinem Leben, wohin, wieso, es bleibt sich gleich. Mein Atlantis, meine Geschichte, die unendliche Geschichte, Identitäts stiftend. Underachiever, hello again. Ich strecke dir die Zunge heraus. Lache. Du hast Humor, grüßt zurück.
Azoren 2012, so war das.